Babette Caesar
Mit Traum und Trug führen seine Skulpturen irre
Hausner-Schüler Bernhard Tragut in Wangen
Ein Wiener in Wangen! Mit einem Skulpturenprogramm, das alle Träume offen lässt. Oder sind das nur Schäume? Bernhard Tragut, 1957 im niederösterreichischen Purg stall geboren, präsentiert in der Wangener Häge-Schmiede zum Thema “Sie wünschen – wir träumen” seine tiefgründigen, aus Lindenholz geschnitzten und farbig gefassten Plastiken der Jahre 1991-1996.
Als gelernter Vergolder und Restaurator studierte Tragut an der Wiener Akademie der Bildenden Künste bei Professor Rudolf Hausner, hat somit eine ganz klassische Ausbildung erfahren, hingegen sind seine danach entstandenen Skulpturen alles andere als akademisch. Sie vereinigen in gekonnter Weise Handwerk und Kunst, wobei ersteres zweiterem zur Form verhilft, und die “Kunst” Traguts im Ausdruck trügerisch-träumerischer Sinnlichkeit liegt.
Die Figuren spielen mit dem Betrachter, lassen ihn mal in dem so beliebten, meist Konsumorientieren “Wie wär’s doch schön, wenn …” schwelgen, und im gleichen Moment stößt diese Sehnsucht nach wunschloser Glückseligkeit auf eine Mauer des Unerreichbaren, das dann vielfach als absurd oder Spinnerei abgetan wird. Darin liegt die Provokation Tragutscher Kunst, es den Betrachter am eigenen Leibe spüren zu lassen, daß er sich beides verbietet, das Träumen wie auch die je weilige Wirklichkeit. Tut er das eine, will er das andere und umgekehrt, hin- und hergerissen zwischen seinen Zweifeln, hält mancher davon teils entnervt Traguts Arbeiten einfach für Kitsch.
Vor diesem Urteil bewahrt allerdings allein schon die perfekte handwerkliche Ausführung in mittelalterlicher Technik, das heißt, hinter dem vordergründig Belächelten steckt ein ernstgemeintes Anliegen. Kein richtig Boshaftes, sondern Tragut ist eher liebevoll-
karikierend, wenn “Jolly, Combino, und Bananenjoe” eislutschend in knappem Bikini oder Badehose auf einem entenbemalten Klappschrank stehend um Haltung ringen. Oder “Endlich bist du wieder da” begrüßt sich das junge Liebespaar, ein Traum möglichst ewig anhaltender Idylle, gesponnen auf einem pastos grünen Blütensockel, das Ganz umgeben von einer Tulpenknospen- Aureole.
Tragut hält uns den Spiegel hin auf recht unverblümte Weise, in dem ein jeder sich seine Verrenkungen verzeihen kann oder ihnen weiterhin blindlings nachjagt, in der Hoffnung auf vergeblichen Erfolg. Denn gerade das Bewußtsein um letzteres ist des Men schen Antrieb für immer neue Träumereien ohne so recht von der Stelle zu kommen.
In “Viele tausend Schritte” blicken wir in Rückenansicht von den Klapptüren eines Wandtabernakels, einsam und verlassen der Unwirtlichkeit der kalten, windgepeitschten Welt ausgesetzt, in das Gehäuse, wo und ein lustiger- Wandergesell mit Rucksack und Schiebermütze zwischen Palmenbäumen ent gegenkommt. Er lächelt, doch seine Augen strahlen nicht mit. Vielleicht liegt es an den vielen tausend Schritten, die ihn auf der Suche nach dem Traum seines Lebens er schöpft haben. Traguts Figuren stehen des öfteren in Kontext mit religiösem Formengut, wie auch die Plastiken selbst ihrer Größe nach derer von Heiligenbildern entsprechen. Die Ursprünge für diese Symbiose lassen sich im Umfeld seiner Ausbildung zum Vergolder leicht finden und haben nun das Alltägliche sakralisiert oder umgekehrt das Sakrale vermenschlicht. Es aus der heiligen unantastbaren Glorifizierung in das greifbare Reich der Träume geholt, in das wir sogar bei völliger Orientierungslosigkeit noch per Last Minute glauben eintauchen zu können.
Babette Caesar